Dienstag, 30. Mai 2017

Der verschwundene Fon von Mbiame


  

Trauer und Tradition


Vor einigen Monaten ist der Fon von Ivolines Heimatdorf Mbiame gestorben, oder besser gesagt, da traditionelle Herrscher in der Banso-Kultur* nicht sterben, verschwunden. Was folgte, war eine große Trauerfeier und eine zweimonatige Trauerzeit in und um den Palast herum. Mitte März nahm Ivoline Eli, Jordan (ein anderer deutscher Freiwilliger) und mich mit auf einen Besuch zu ihrer Familie um das ganze Geschehen zu beobachten. Nachdem wir von Ivos Familie herzlich in ihrem Haus begrüßt wurden und uns etwas ausgeruht hatten, machten wir uns auf den Weg zum Palast und stürzten uns ins Gewusel von den vielen Dju-Djus und Schaulustigen. Davor mussten wir uns aber noch umziehen, da Frauen auf dem Palastplatz nur in Wrappers gekleidet sein dürfen. Die Frauen des Dorfes müssen zudem auch noch all ihre Haare abschneiden als Symbol ihres Schmerzes. (Ivo war deswegen bedacht ja nicht zu lange in der Nähe des Palastes zu bleiben, damit auch keiner auf die dumme Idee käme ihr auch noch die Haare abschneiden zu wollen.) 

auf dem weg zum Palast
*Banso bezeichnet das Gebiet um Kumbo herum,
in welchem der Dialekt Lamso` gesprochen wird.

Die Königinnen und Prinzessinnen des Fondoms (Herrschaftsgebiet eines Fons) trauerten zudem in einen abgelegenen Raum, den sie für die Dauer des Trauerprozesses nicht verlassen durften. Tatsächlich stand allerdings im April ernsthafte Feldarbeit an, bei der man auf die Unterstützung der königlichen Frauen nicht verzichten wollte, weswegen ab dem zweiten Monat nur noch drei Tage der Woche traditionell getrauert wurde, während einen im Rest der Woche schon wieder die alltäglichen Pflichten eingeholt hatten. Auch wenn der Raum für die Königinnen an sich etwas düster und karg wirkte, begrüßten uns die Hoheiten um so freundlicher; wir durften und wurden aufgefordert Fotos zu machen und bekamen Palmwein sowie Kolanüsse (eine bittere Nuss, die häufig bei traditionellen oder festlichen Anlässen geteilt wird, als Zeichen des Friedens, der Gastfreundlichkeit und Zusammengehörigkeit). 



das Königinnenhaus


unter Königinnen
Danach baten wir oder genauer gesagt bat Ivo für uns noch um eine Audienz beim neuen Fon, der während der Trauerzeit nicht aus seinem Palast heraustreten durfte. Ivoline erklärte uns, dass, nachdem ein Fon gestorben ist, ein Nachfolger aus seiner Linie meistens von einem traditionellen Rat ausgesucht und bestimmt wird. Das Problem ist nur, dass die meisten Männer gar nicht Fon werden wollen und um sich vor dieser Rolle zu drücken, die man nicht ablehnen kann, häufig weglaufen und versuchen sich zu verstecken bis ein anderer Fon für das Dorf gefunden worden ist. Andersherum versuchen Leute aus dem Dorf den möglichen Nachfolger zu finden und zu fangen um ihn zurück ins Dorf zu bringen und quasi gegen seinen Willen zu krönen. (Häufig bekommen wir beim Justice and Peace Office Fälle von Männern, welche nicht die Position eines Familienoberhaupts übernehmen wollen aber von ihrer Umgebung dazu genötigt und gezwungen werden und uns bitten als Vermittler aufzutreten.)

Ob der nun gefundene Fon freiwillig angetreten ist, weiß ich nicht, aber er war auf jeden Fall höflich und für die Verkrampftheit, die einer solchen Audienz immer mitschwingt, sehr nett. Wir bekamen ein Huhn geschenkt, was in der nächsten Woche bei Ivo im Topf landete. (Mein Vegetarier-Dasein wird inzwischen auch eher nur noch theoretisch als praktisch umgesetzt. J)


Zudem ist der neue Fon ein alter Schulfreund von Ivoline, dem sie früher einmal ebenbürtig gegenüber stand; von der alten Vertrautheit konnte man allerdings beim Empfang nichts mehr merken. Als ich sie fragte, ob es ihr nichts ausmache sich jetzt so unterwürfig vor ihm zu verbeugen und Blickkontakt meiden zu müssen, verneinte sie dies allerdings und erklärte, dass sie beide nur ihre Rolle einnehmen würden, die aus der Tradition heraus von ihnen erwartet wird. Der Fon wird als Dorfvater angesehen, dem man seine Probleme anvertrauen kann und der sich jenen annimmt; als Gegenleistung werden ihm Respekt und Ansehen (und Geschenke) gezollt.

Was Ivoline aber sehr wohl an dem ganzen Traditionsbewusstsein stört, ist die Rolle, welche der Frau zugeschrieben wird. Es ist schon ein klares Zeichen von Ungleichheit und Einschränkung,  wenn wir Frauen nur in Tüchern bekleidet sein dürfen und jedes Mal unsere Schuhe ausziehen müssen bevor wir einen Platz des Palastes betreten dürfen, während die Männer sich keine solchen Sorgen machen und ganz normal ohne Auflagen herumlaufen dürfen. 

Das ging dann auch noch so weiter als wir am 6. Mai nach Mbiame zurückkehrten um beim Marsch teilzunehmen, welcher die Trauerperiode beenden sollte. Diesmal trugen alle Frauen rote Gewänder, da rot die Farbe der Trauer symbolisiert, und während Eli und ich uns irgendetwas rotes hatten schneidern lassen, hatten die Frauen des Dorfes alle ein und denselben Stoff an, welchen sie extra für diesen Tag bekommen hatten und den sie danach auch nie mehr verwenden würden. Um den Palast herum stieg ein riesen großes Fest mit unglaublich vielen Dju-Djus, die ich teilweise noch nie davor gesehen hatte. Zudem traten auch die „Soldaten” des Palastes in traditioneller Kleidung auf, bewaffnet mit veralteten Gewehren oder Bogen, mit denen sie immer wieder in die Luft schossen. (Allerdings waren die Gewehre wie man uns erklärte nicht mit echter Munition geladen.)

beim schneidern des Trauerkleids ;)
Der Marsch begann indem die Königinnen und Prinzessinnen ihr Trauerhaus verließen und klagend summend in einer Linie an den Zuschauenden vorbeiliefen. Die Frauen vom Dorf (sowie Eli und ich) schlossen uns der Reihe an und gingen zusammen barfuß circa eine halbe Stunde über Stock und Stein, bevor wir wieder beim Palst ankamen. Die Hände hatte man dabei am Gesicht, um sein Wehklagen zu zeigen, und eigentlich sollte auch nicht geredet werden. Zum Schluss brachen aber dann doch die meisten gerade diese letzte Regel um sich über den harten Weg und die „Soldaten“, welche immer wieder in normaler Kleidung und Schuhen vorbeiliefen um irgendwelche Anweisungen zu geben, zu beschweren und ich war erleichtert zu erfahren, dass ich nicht die einzige mit schmerzenden Füßen war. Anfangs hatten wir alle noch ein Weidengeflecht um unsere Hüften gebunden, welche dann später während dem Marsch von einem Dju Dju vor einem kleinen Bächlein, das wir danach durchquerten, abgerissen wurden. 

Als wir wieder beim Palast ankamen, zogen sich die Frauen erst einmal um. Alle trugen nun ganz bunte Kleider und inzwischen war wieder alles, bis auf rot, erlaubt, außerdem setzen die meisten Frauen auch ihre Perücken auf und sahen mit Haaren schon wieder viel lebhafter aus. Eli und ich wurden jetzt häufig als die zwei Weißen vom Marsch erkannt und auch wenn viel über uns gelacht wurde, merkten wir glücklicherweise trotzdem, dass die Leute sich an unserer Teilnahme erfreuten und nahmen uns in den Kreis der Frauen aus Mbiame auf J.
Es wurde also fleißig weiter gefeiert im Palast, jetzt aber nicht mehr als ein Fest der Trauer über den verlorenen Fon, sondern als eine Feier der Freude über den neuen Fon und das Leben allgemein.




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