Dienstag, 30. Mai 2017

Der verschwundene Fon von Mbiame


  

Trauer und Tradition


Vor einigen Monaten ist der Fon von Ivolines Heimatdorf Mbiame gestorben, oder besser gesagt, da traditionelle Herrscher in der Banso-Kultur* nicht sterben, verschwunden. Was folgte, war eine große Trauerfeier und eine zweimonatige Trauerzeit in und um den Palast herum. Mitte März nahm Ivoline Eli, Jordan (ein anderer deutscher Freiwilliger) und mich mit auf einen Besuch zu ihrer Familie um das ganze Geschehen zu beobachten. Nachdem wir von Ivos Familie herzlich in ihrem Haus begrüßt wurden und uns etwas ausgeruht hatten, machten wir uns auf den Weg zum Palast und stürzten uns ins Gewusel von den vielen Dju-Djus und Schaulustigen. Davor mussten wir uns aber noch umziehen, da Frauen auf dem Palastplatz nur in Wrappers gekleidet sein dürfen. Die Frauen des Dorfes müssen zudem auch noch all ihre Haare abschneiden als Symbol ihres Schmerzes. (Ivo war deswegen bedacht ja nicht zu lange in der Nähe des Palastes zu bleiben, damit auch keiner auf die dumme Idee käme ihr auch noch die Haare abschneiden zu wollen.) 

auf dem weg zum Palast
*Banso bezeichnet das Gebiet um Kumbo herum,
in welchem der Dialekt Lamso` gesprochen wird.

Die Königinnen und Prinzessinnen des Fondoms (Herrschaftsgebiet eines Fons) trauerten zudem in einen abgelegenen Raum, den sie für die Dauer des Trauerprozesses nicht verlassen durften. Tatsächlich stand allerdings im April ernsthafte Feldarbeit an, bei der man auf die Unterstützung der königlichen Frauen nicht verzichten wollte, weswegen ab dem zweiten Monat nur noch drei Tage der Woche traditionell getrauert wurde, während einen im Rest der Woche schon wieder die alltäglichen Pflichten eingeholt hatten. Auch wenn der Raum für die Königinnen an sich etwas düster und karg wirkte, begrüßten uns die Hoheiten um so freundlicher; wir durften und wurden aufgefordert Fotos zu machen und bekamen Palmwein sowie Kolanüsse (eine bittere Nuss, die häufig bei traditionellen oder festlichen Anlässen geteilt wird, als Zeichen des Friedens, der Gastfreundlichkeit und Zusammengehörigkeit). 



das Königinnenhaus


unter Königinnen
Danach baten wir oder genauer gesagt bat Ivo für uns noch um eine Audienz beim neuen Fon, der während der Trauerzeit nicht aus seinem Palast heraustreten durfte. Ivoline erklärte uns, dass, nachdem ein Fon gestorben ist, ein Nachfolger aus seiner Linie meistens von einem traditionellen Rat ausgesucht und bestimmt wird. Das Problem ist nur, dass die meisten Männer gar nicht Fon werden wollen und um sich vor dieser Rolle zu drücken, die man nicht ablehnen kann, häufig weglaufen und versuchen sich zu verstecken bis ein anderer Fon für das Dorf gefunden worden ist. Andersherum versuchen Leute aus dem Dorf den möglichen Nachfolger zu finden und zu fangen um ihn zurück ins Dorf zu bringen und quasi gegen seinen Willen zu krönen. (Häufig bekommen wir beim Justice and Peace Office Fälle von Männern, welche nicht die Position eines Familienoberhaupts übernehmen wollen aber von ihrer Umgebung dazu genötigt und gezwungen werden und uns bitten als Vermittler aufzutreten.)

Ob der nun gefundene Fon freiwillig angetreten ist, weiß ich nicht, aber er war auf jeden Fall höflich und für die Verkrampftheit, die einer solchen Audienz immer mitschwingt, sehr nett. Wir bekamen ein Huhn geschenkt, was in der nächsten Woche bei Ivo im Topf landete. (Mein Vegetarier-Dasein wird inzwischen auch eher nur noch theoretisch als praktisch umgesetzt. J)


Zudem ist der neue Fon ein alter Schulfreund von Ivoline, dem sie früher einmal ebenbürtig gegenüber stand; von der alten Vertrautheit konnte man allerdings beim Empfang nichts mehr merken. Als ich sie fragte, ob es ihr nichts ausmache sich jetzt so unterwürfig vor ihm zu verbeugen und Blickkontakt meiden zu müssen, verneinte sie dies allerdings und erklärte, dass sie beide nur ihre Rolle einnehmen würden, die aus der Tradition heraus von ihnen erwartet wird. Der Fon wird als Dorfvater angesehen, dem man seine Probleme anvertrauen kann und der sich jenen annimmt; als Gegenleistung werden ihm Respekt und Ansehen (und Geschenke) gezollt.

Was Ivoline aber sehr wohl an dem ganzen Traditionsbewusstsein stört, ist die Rolle, welche der Frau zugeschrieben wird. Es ist schon ein klares Zeichen von Ungleichheit und Einschränkung,  wenn wir Frauen nur in Tüchern bekleidet sein dürfen und jedes Mal unsere Schuhe ausziehen müssen bevor wir einen Platz des Palastes betreten dürfen, während die Männer sich keine solchen Sorgen machen und ganz normal ohne Auflagen herumlaufen dürfen. 

Das ging dann auch noch so weiter als wir am 6. Mai nach Mbiame zurückkehrten um beim Marsch teilzunehmen, welcher die Trauerperiode beenden sollte. Diesmal trugen alle Frauen rote Gewänder, da rot die Farbe der Trauer symbolisiert, und während Eli und ich uns irgendetwas rotes hatten schneidern lassen, hatten die Frauen des Dorfes alle ein und denselben Stoff an, welchen sie extra für diesen Tag bekommen hatten und den sie danach auch nie mehr verwenden würden. Um den Palast herum stieg ein riesen großes Fest mit unglaublich vielen Dju-Djus, die ich teilweise noch nie davor gesehen hatte. Zudem traten auch die „Soldaten” des Palastes in traditioneller Kleidung auf, bewaffnet mit veralteten Gewehren oder Bogen, mit denen sie immer wieder in die Luft schossen. (Allerdings waren die Gewehre wie man uns erklärte nicht mit echter Munition geladen.)

beim schneidern des Trauerkleids ;)
Der Marsch begann indem die Königinnen und Prinzessinnen ihr Trauerhaus verließen und klagend summend in einer Linie an den Zuschauenden vorbeiliefen. Die Frauen vom Dorf (sowie Eli und ich) schlossen uns der Reihe an und gingen zusammen barfuß circa eine halbe Stunde über Stock und Stein, bevor wir wieder beim Palst ankamen. Die Hände hatte man dabei am Gesicht, um sein Wehklagen zu zeigen, und eigentlich sollte auch nicht geredet werden. Zum Schluss brachen aber dann doch die meisten gerade diese letzte Regel um sich über den harten Weg und die „Soldaten“, welche immer wieder in normaler Kleidung und Schuhen vorbeiliefen um irgendwelche Anweisungen zu geben, zu beschweren und ich war erleichtert zu erfahren, dass ich nicht die einzige mit schmerzenden Füßen war. Anfangs hatten wir alle noch ein Weidengeflecht um unsere Hüften gebunden, welche dann später während dem Marsch von einem Dju Dju vor einem kleinen Bächlein, das wir danach durchquerten, abgerissen wurden. 

Als wir wieder beim Palast ankamen, zogen sich die Frauen erst einmal um. Alle trugen nun ganz bunte Kleider und inzwischen war wieder alles, bis auf rot, erlaubt, außerdem setzen die meisten Frauen auch ihre Perücken auf und sahen mit Haaren schon wieder viel lebhafter aus. Eli und ich wurden jetzt häufig als die zwei Weißen vom Marsch erkannt und auch wenn viel über uns gelacht wurde, merkten wir glücklicherweise trotzdem, dass die Leute sich an unserer Teilnahme erfreuten und nahmen uns in den Kreis der Frauen aus Mbiame auf J.
Es wurde also fleißig weiter gefeiert im Palast, jetzt aber nicht mehr als ein Fest der Trauer über den verlorenen Fon, sondern als eine Feier der Freude über den neuen Fon und das Leben allgemein.




Samstag, 20. Mai 2017

Die Sache mit dem Katholizismus


Januar bis April Teil II



Am ersten April hatten ein paar Freiwillige aus Kumbo und ich die ziemlich coole Möglichkeit, in einem kamerunischen Musikvideo mitzuspielen und mitzutanzen.

Jaro, ein deutscher Freiwilliger in Kumbo, hat nämlich mit Chrisco, einem Freund von uns und Producer seines eigenen Musikstudios, inzwischen schon das zweite Lied aufgenommen. Der Mix von kamerunischen und deutschen Einflüssen klingt, meiner Meinung nach, immer sehr spannend und bei diesem Lied „Blessings“ wird zudem auf Englisch, Pidgin, Lamso und Deutsch gerappt, also alles sehr interkulturell und einfach nur schön. Ihr seht, ich bin begeistert und so fand ich auch den Drehtag richtig witzig.

Angefangen haben wir mit Jaro´s Part in Mbve auf dem Markt; die Leute um uns herum waren überraschenderweise echt begeistert und erfreut und haben häufig angefangen zu klatschen, mitzusingen und zu tanzen. Die Befürchtung komisch angeguckt zu werden, war also anscheinend völlig unbegründet und mir hat es auch mehr Spaß gemacht mit den Mamis von den Obstläden zusammen zu tanzen. Danach gings weiter zu einem Wasserfall in Shisong, in denen noch Szenen mit Jaro und KMG (einer Band von Chrisco) gedreht wurden.

Mit der ganzen Crew war die Wanderung dahin ein echtes Erlebnis und auch wenn ich selbst immer noch nicht so ganz von meinen eigenen Tanzkünsten überzeugt bin, war es schön Teil von diesem Ganzen zu sein. Wir haben so viele schöne Szenen und Zusammenspiele von Markt(bewohnern) und Jaro gesehen und Chrisco hat so viele coole Momente aufgenommen, welche natürlich leider gar nicht alle in das Video reinpassten, trotzdem finde ich, kann sich das Endergebnis sehr gut sehen lassen. Chrisco hat es derweil hochgeladen; hier der Link zu seinem Youtubekanal wo auch andere echt gute Lieder zu finden sind:

https://www.youtube.com/watch?v=kCspUXX0QQE 



Die Arbeit hatte Eli und mich ab April wieder im Jugendzentrum verankert, um das dreitägige Jugendcamp um den „World Youth Day“ mitzugestalten und mitzuerleben. Das Camp ging vom Freitag den 7. April bis zum Palmsonntag und fand in Tabenken, einer Gemeinde des Bistums, statt. 

Im Jugendzentrum und dem Jugendteam an sich hatte sich während wir weg waren viel getan und wir wurden von vielen neuen Gesichtern begrüßt. Das war zwar einerseits etwas seltsam und wir mussten erst einmal wieder Anschluss finden aber es war auch schön endlich so viele junge Leute glücklich und aktiv im Zentrum zu sehen. Eli und ich wurden auf unseren Wunsch hin ins Küchenteam für das Camp eingeteilt. Bei ähnlichen vorherigen Veranstaltungen fiel mir nämlich auf, dass ich es teilweise anstrengender fand, keine Aufgabe zu haben, also gefühlt „nutzlos“ dabei zu sein und dann immer mitten im Geschehen sein zu müssen, weswegen ich froh war dieses Mal eine feste Aufgabe zu haben, mich aber auch manchmal in die Küche „zurückziehen“ zu können.


Die Frauen dort nahmen uns herzlich auf und wir schnibbelten, pflückten und redeten gerne mit ihnen. Insgesamt musste für mehr als 3.000 Jugendliche aus allen Gemeinden des Bistums gekocht werden und das Küchenteam teilte sich auf die einzelnen Gemeinden auf, die auch jeweils unterschiedlich untergekommen waren. Hierbei funktionierte allerdings leider die Kommunikation zwischen den einzelnen Kochteams nicht so gut und so kam es, dass einige Gemeinde viel zu viel hatten und ihr Essen anfing schlecht zu werden, während andere Gemeinden nicht genug Essen hatten um all ihre Jugendlichen satt zu bekommen.

Auch wenn ich gerne bei diesen Massenküchen beobachtet und mitgeholfen hätte, landeten wir hauptsächlich bei der Kochstation, welche für die Priester und den Bischhof kochte. Diese bekommen bei solchen Veranstaltungen nämlich immer extra Mahlzeiten, die besser und aufwendiger zubereitet sind und essen dann auch meist unter sich oder wenigstens an einem seperaten Tisch. Die Jugendlichen dagegen bekamen teils einfach nur Reis (mit einer kaum vorhandenen Soße) und nur zwei Mahlzeiten pro Tag. Eli und mich bringt das teils in eine ungeschickte Lage, da wir als europäische Freiwillige häufig (und ja auch netterweise) eingeladen sind mit am Priestertisch zu essen, wir aber natürlich lieber ganz normal mit den anderen Jugendarbeitern und –freiwilligen essen würde, ich aber einerseits Schwierigkeiten habe, solche Einladungen auszuschlagen und mich auch einfach, wenn ich zu lange nichts oder nur zwei bis einmal täglich richtig esse, nicht mehr wirklich wohlfühle oder konzentrieren kann.


Für die Jugendlichen gab es während dieser drei Tage immer viel Programm und wenig Schlaf (und Essen, wie gesagt). Das Hauptprogramm bestand hauptsächlich aus religiösen Talks, Messen und Gebetsstunden, aber eine Rally gab es zum Glück auch. Mehrere Kinder brachen zudem unter der Sonne zusammen und mussten ins Health Centre* gebracht werden. Am Samstagabend kam dann Bischhof George und eigens für ihn hatten die Gemeinden sich Tanz- und Gesangseinlagen ausgedacht,  geprobt und führten diese nun voller Stolz vor. Ich fand es ein bisschen schade, dass dieses Spektakel nur die Priester und Nonnen und die vorderen Reihen sehen konnten und den anderen durch die Massen im Publikum die Sicht versperrt blieb. Am Palmsonntag segnete der Bischhof Palmzweige und eine Abschlussmesse fand statt, bevor es dann für alle schon wieder nach Hause ging. Für mich persönlich waren diese drei Tage doch schon wieder sehr anstrengend; man muss aber auch dazu sagen, dass sowohl Eli als auch ich beide krank wurden während der Zeit und ich mich persönlich auch noch nicht mit solchen Festivalmessen anfreunden konnte, bei denen unser Mentor die Jugendlichen auffordert auf einem Bein zu hüpfen und die Hand auf den Kopf zu legen als Beweis, dass sie an Gott glauben und Jesus lieben. ABER den Kindern scheint es gefallen zu haben und Fr Francline sprach von einem allgemeinen Erfolg und dass ist ja eigentlich das wichtigste und die Meinungen, auf die es ankommt.

*ein Health Centre ist eine Art Krankenhaus, nur dass in diesem keine Ärzte arbeiten, sondern die Patienten allein von Krankenpflegern behandelt werden; solche Zentren gibt es häufiger in kleineren Dörfern.


Nach einem ernsthaften Putz- und Waschtag am Montag ging es für uns beide schon gleich wieder weiter. Diesmal ging es nämlich ins Kloster. Richtig gehört (oder gelesen), Eli und ich verbrachten die Osterwoche mit den Nonnen des Ordens Mary Morningstar, welche in dieser Woche ihre Türen öffneten, für uns und zukünftige Novizinnen, die kommen und so Ostern ganz besonders erleben wollten. Neben uns waren also noch einige kamerunische Mädchen und vier Freiwillige aus Frankreich, Mexiko und den USA da.
Der Orden wurde in Frankreich gegründet und die Nonnen kommen aus aller Welt. Sie sind „contemplative sisters“, was so viel bedeutet wie besinnliche Schwestern. Ihre Hauptbeschäftigung besteht also nicht darin, irgendeine weltliche Aufgabe oder Wohltätigkeit auszuführen, sondern sich nach innen zu bekehren, bescheiden zu leben, zu beten und sich zu bilden. (Dabei schaffen sie es aber erstaunlicherweise trotzdem noch, meistens super gut gelaunt zu bleiben und dauernd irgendwelche Späße zu machen). So erhofften sie sich auch aus dieser Woche, die Bibelgeschichte nachzuleben und so gefühlt ihrer Jesusvorstellung näher zu kommen.

Meistens fing der Tag mit einem gemeinsamen Morgengebet um sechs Uhr früh an, zu dem ich häufig noch im Schlafanzug kam. Danch gab es Frühstück (die Nonnen essen immer alleine in ihren Zimmern, ohne zu reden, aber daran mussten wir uns zum Glück nicht halten) und dann ging es weiter mit jeweils einer Stunde Bible Sharing und Philosophieunterricht. Am Nachmittag wurde dann meist im Kerzenworkshop mitgeholfen und abends fand täglich eine Messe statt und danach noch einmal ein Abendgebet. Dazu möchte ich sagen, dass wir zu nichts von alle dem gezwungen wurden, aber so sah nun einmal der Alltag der Sisters aus und wer diesen miterleben wollte, war herzlich eingeladen, sollte es einem aber mal zu viel werden, hat keine der Nonnen auch nur schief geguckt, wenn man sich zurückgezogen hat oder das Bible sharing ausfallen ließ. Der Kerzenworkshop ist übrigens sehr beeindruckend, das Kloster stellt die Kirchenkerzen für das gesamte Bistum her und gerade jetzt vor Ostern wurde alles rausgehauen für die wunderschön verzierten Osterkerzen. Manche Priester kamen zu uns mit Extrawünschen für ihre Gemeinden und wollten die Kerzen den Sisters direkt etwas günstiger abkaufen, eigentlich ist so etwas ja vom Bischof verboten aber die Sisters machten mit und irgendwie waren diese illegalen Kerzengeschäfte doch recht amüsant mit anzusehen.

Am Mittwoch war ein riesiger Gottesdienst in der Kathedrale, die „Chrism mass“, in der das Öl für die Kommunion, Firmung etc. vom Bischof gesegnet wurde und die Priester ihre priesterlichen Versprechen erneuerten. Es gab eine riesen Offertory (Spende), die mal gute 1 bis 2 Stunden dauerte und es wurden unter anderem Säcke voll mit Reis, Bohnen und allen anderen Lebensmitteln sowie Tiere wie Kühe, Schafe und Hühner gespendet und die Leute tanzten mit ihren Gaben nach vorne. Um das ganze zu verkürzen wurde es allerdings Leuten verboten, wenn sie nur eine geringe Spende wie ein Stück Seife hatten, nach vorne zu tanzen, ziemlich unhöflich und dreist wurde dann teilweise älteren Damen ihre Spende am Anfang des Ganges aus der Hand genommen. Ich finde das ja unmöglich, da ja nicht nur die großen Spenden wertgeschätzt werden sollten, sondern alle und manchmal ist so etwas kleines eben alles was man hergeben kann. (Im Laufe der nächsten Woche ging allerdings auch ein offizielles Schreiben vom Bischhof rum, in dem er sich für dieses Verhalten entschuldigte).

Am Donnerstag fanden dann tagsüber die Vorbereitungen für das letzte Abendmahl statt, welches die Nonnen auf ganz besondere Weise feiern wollten. Es wurde ungesäuertes Brot gebacken und Lamm zubereitet, quasi nach Rezeptvorlage aus der Bibel. Vor dem Essen wuschen die Nonnen sich gegenseitig die Füße und dieses Mal aßen auch die Nonnen zwar unter sich aber trotzdem zusammen, während wir Mädchen es uns draußen gemütlich gemacht hatten. Den Parlor (Wohnraum) hatten wir mit Palmzweigen geschmückt und eine kleine Feuerstelle aufgebaut, damit das Ganze einem Garten zu ähneln begann, in welchem die Nonnen dann die ganze Nacht durchbeteten. Dieses Festmahl am Donnerstag stand im starken Kontrast zu dem Essen vom Karfreitag an dem wir als Art des Fastens nichts anderes aßen außer Brot und Wasser.

Samstags bereiteten wir uns dann auf Ostern vor und abends wurde ein Osterfeuer gemacht und wir hatten eine Nachtmesse von zehn Uhr bis halb zwei morgens, welche wirklich auf mich einmalig und mystisch wirkte. Der Sonntag war dann irgendwie vollgepackt mit Gottesdiensten und Gebetsstunden.

Wir feierten die Ostermesse im Jugendzentrum bei der sich Oscar, der mexikanische Freiwillige, firmen ließ und die gleichzeitig auch seine Abschiedsfeier war, da er am darauffolgenden Mittwoch schon wieder nach Hause flog. Montags fand dann nochmal unsere eigene kleine Abschiedsmesse und –runde für Oscar im Kloster statt, der den Nonnen auch sehr nahestand. Wir aßen gemütlich alle zusammen (diesmal auch mit den Nonnen) und teilten am Ende noch einen deutschen Osterhasen, den wir mitgebracht hatten. Danach ging es dann auch für Eli und mich wieder zurück nach Hause in unsere gemütliche Wohnung in SAC.

Vielleicht klingen meine Eindrücke und Erlebnisse aus dem Kloster etwas komisch für Aussenstehende, aber mir hat die Woche echt Spaß gemacht und man kann halt auch diese Herzlichkeit und Lebensfreude dieser Sisters und inzwischen auch Freundinnen, die so ansteckend ist, nur schwer und holprig in Worte fassen und erklären. Damit möchte ich jetzt nicht leugnen, dass ich mich nicht erst einmal auch sehr über eine wieder kirchenfreie Zeit gefreut hätte und so ein Kloster und unerschütterliches Glaubensverständnis manchmal etwas einengend werden kann, aber ich habe mich trotzdem sehr wohl dort gefühlt, auch wenn ich auf keinen Fall eine Sister werden möchte ;). Vor allem war es interessant, diese unterschiedliche Art und Weise zu beten im Vergleich zu sehen. Diese laute öffentliche Art im Jugendcamp und dann kurz danach diese ruhige individuelle mit den Nonnen von Mary Morningstar.


So inzwischen bin ich aber auch wieder voll und ganz im weltlichen Alltag angelangt, es gibt wieder eine gewisse Routine für uns in Kumbo und in der Arbeit, für die ich sehr dankbar bin und die ich auch genieße. Dass wir gar nicht mehr so viel Zeit hier haben und dass die Zeit zudem gefühlt wie im Flug vorbeigeht, ignoriere ich bisher auch noch ganz gut...;) Momentan arbeite ich bei Justice and Peace, was wohl auch meine Arbeitsstelle bis zum Schluss bleiben wird. Das Office stellt eine moralische Instanz vor dem Gericht dar und die Arbeit gefällt mir wirklich sehr sehr gut, aber darüber erzähle, informiere und berichte ich, glaube ich, lieber ein anderes Mal...:) 

Dienstag, 16. Mai 2017

Guess Who’s Back? Back Again

Januar bis April Teil I

Hallo ihr Lieben,

etwas Unglaubliches ist passiert: am 20. April, also vor fast vier Wochen, hat die kamerunische Regierung dem internationalen und innenpolitischen Druck nachgegeben und doch tatsächlich das Internet, ohne irgendwelche Ankündigungen davor, im anglophonen Teil freigeschaltet und somit dem ganzen Land wieder zugänglich gemacht. Dabei hat sich die politische Situation gar nicht so sehr verändert; es wird weiterhin montags gestreikt, wenn auch nicht mehr so radikal, und die staatlichen Schulen sind zwar geöffnet und die Lehrer treten zum Unterricht an, doch weigern sich die meisten Schüler zu kommen, weswegen die Lehrer dann tagtäglich vor leeren Klassenzimmern stehen. Die Universität in Bamenda ist die einzige anglophone Uni, welche ihren Betrieb wieder komplett aufgenommen hat und die Studenten führen hier ihr Studium wie gedacht fort. Währenddessen bleiben kirchliche und andere Privatschulen weiterhin komplett geschlossen, da sie laut eigener Angabe die Sicherheit ihrer Schüler in der momentanen Lage nicht gewährleisten können. Mit dieser Verweigerung hat sich der Konflikt zwischen den kirchlichen Institutionen und der Regierung nochmals verschärft. Präsident Paul Biya hat übrigens bei einer Rede am 21. April gleich damit gedroht, dass er das Internet jederzeit wieder abstellen kann und wird, sollten die Umstände ihn dazu “zwingen”. Also auch wenn der Zugang zu freiem Internet wieder ein Stückchen Normalität mit sich bringt, ist der Disput zwischen dem anglophonen Raum und der Zentralregierung noch weit davon entfernt gelöst zu werden.

So viel erst einmal zur politischen Lage; es bleibt zwar immer noch schwierig in dieser Angelegenheit fundierte Informationen zu bekommen, doch bin ich sehr erleichtert, wieder recherchieren und Sachen nachlesen sowie natürlich auch wieder mehr mit Familie und Freunden aus Deutschland in Kontakt stehen zu können.

Derweil hat sich in unserem Leben natürlich auch sehr viel getan; wir haben mehrere Arbeitswechsel hinter uns und auch schöne Reisen genossen, hoffentlich bekomme ich noch alles zusammen, aber am besten fange ich mal von vorne an…


Shisong

Von Anfang Januar bis Ende März durfte ich in die Arbeit einer Krankenschwester im katholisch geleiteten Krankenhaus Shisong reinschnuppern.. Leider wurde ich von meinen Aufgabenfeldern etwas enttäuscht; es war zwar durchaus interessant, aber ich glaube insgesamt habe ich wohl einfach nicht genug Leidenschaft für die Krankenhausarbeit.
Naja, jetzt weiß ich aber dafür wenigstens definitiv, dass ich weder Arzt noch Krankenschwester werden möchte ;)

Insgesamt war ich in drei unterschiedlichen Stationen (Wards) und angefangen habe ich auf der Kinderstation. Wieder mit Kindern zu arbeiten hat mir zwar Spaß gemacht, aber ich wurde dann auch schnell desillusioniert und musste merken, dass die Arbeit hier noch einmal etwas ganz anderes ist als im Waisenhaus. So erzählte mir eine belgische Medizinstudentin, die mit mir als Freiwillige auf der Station war, dass sie hier Krankheiten häufig zum ersten Mal in ihrem Endstadium gesehen hat, da viele Familien nicht zum Arzt gehen, wenn das Kind noch in keinem kritischen Stadium ist, um nicht „unnötig“ die relativ gesehen hohen Krankenhausrechnungen ausgeben zu müssen. Mir fiel es auch noch bis zum Ende schwer, die Babys immer weinen zu sehen, wenn sie untersucht wurden oder Spritzen bekamen. Häufiger gab es aber auch mal nichts zu tun, da während meiner Zeit im Ward einfach nicht so viele Kinder aufgenommen waren.

Als nächstes wechselte ich zur Frauenstation (Female Ward), auf der auch unsere Freundin Ivoline als Krankenschwester arbeitet. Geregelt ist eigentlich, dass die Ärzte nur alle zwei Tage zur Visite vorbeikommen und die Krankenschwestern sonst alleine die Station leiten. Als Krankenpfleger muss man sich um die Patienten kümmern (sie baden, mit ihnen reden, täglich Puls, Blutdruck und Fieber messen), Medikamente austeilen sowie generell Betten machen und die Station sauber halten. Besonders gefiel mir, dass wir immer bei Schichtbeginn alle Patienten einzeln besucht haben um Hallo zu sagen, uns vorzustellen und zu fragen wie es geht, genauso haben wir uns dann auch immer verabschiedet, bevor wir gegangen sind und einmal wurde für eine Patientin, die anscheinend besonders traurig schien, gesungen. Krankenpfleger dürfen allerdings nicht Patienten entlassen, was dazu führte, dass manchmal schon wieder gesunde Frauen so lange im Krankenhaus bleiben mussten, bis der nächste Arzt zur Visite kam. Einmal, ich weiß nicht warum, kam es zu einem Ärztemangel im Krankenhaus und wir mussten eine Woche auf der Station ohne Arzt arbeiten. Auf der Station herrschte aber auch totale Überbesetzung; da Auszubildende und werdende Krankenpfleger ohne Schule nichts zu tun haben, nutzen die meisten ihre Zeit momentan um Praktika im Krankenhaus zu absolvieren und schon einmal ein bisschen Arbeitserfahrung zu sammeln. Das führte allerdings dazu, dass teilweise acht statt nur drei Krankenschwestern auf der Station waren und sich die Azubis regelrecht um die noch so kleinen Aufgaben stritten. Naja, für mich blieb dann zwar leider häufiger nur noch Betten machen übrig, aber dafür war es total nett mit den Azubis und auch wenn wir manchmal nichts zu tun hatten, hatten wir wenigstens gute Gespräche.

Am längsten arbeitete allerdings ich in der Apotheke des Integrated Day Care Centers (IDCC). Der Name ist etwas irreführend, da sich die Abteilung in Wirklichkeit um HIV-Erkrankte kümmert. Die Patienten werden hier beraten, aufgeklärt und untersucht. Zudem sollen sie alle drei Monate zur Kontrolle kommen und ihre Medikamente abholen (welche übrigens kostenlos für die Patienten sind, es wird lediglich ein kleiner Beitrag in Höhe von umgerechnet ca. 30 Cent für die Lieferkosten verlangt; sollte dies nicht gezahlt werden können, bekommen die Patienten die Medikamente trotzdem und die Schulden werden aufgeschrieben). In der Apotheke arbeitete ich mit Mme Nicoline zusammen, einer der fröhlichsten und herzlichsten Menschen die ich kennengelernt habe. Hier gab es eigentlich auch immer etwas zu tun, wir beschrifteten, registrierten und gaben Medikamente aus.
Auch wenn ich die Arbeit an sich und vor allem das frühe Aufstehen nicht direkt vermisse, fehlen mir die Menschen, die ich im Krankenhaus kennengelernt habe und der alltägliche Kontakt, an den man sich so schnell gewöhnt hat, doch sehr. Es war auf jeden Fall eine gute Erfahrung und ich bin glücklich, dass ich sie machen konnte.


Abenteuer Mount Cameroon

Im Südwesten Kameruns steht er ja, Mount Cameroon, der größte Berg Westafrikas und mit seinen 4095 Metern eine ganz schöne Wucht. Jährlich findet hier das Mountain Race statt, in dem Läufer den aktiven Vulkan in nur wenigen Stunden hoch und wieder runter rennen. Für die etwas weniger Sportlichen unter uns werden aber zum Glück auch 3-Tagestouren angeboten, bei denen man dann quasi “gemütlich” die Bergspitze erklimmen kann. Das wollten Eli und ich uns natürlich nicht entgehen lassen und so ging es Mitte März nach Buea, der nächsten Stadt zum Kamerunberg, wo wir uns mit acht weiteren deutschen Freiwilligen zusammentaten, um von da aus unser kleines Abenteuer zu beginnen. Organisiert wurde das ganze übrigens von Mt. Cameroon Trekking, eine Organisation, die auch 2 Guides (Führer) und 10 Porter (Träger) mitschickten und sich außerdem um Verpflegung, Ausrüstung und alles Andere kümmerten. 

Es wurde dann mit das Anstrengendste was ich je gemacht habe; wir sind auf 1.000 Höhenmetern gestartet und mussten pro Tag immer so um die 7 bis 10 Stunden wandern, gleich am ersten Tag ging es zudem weitere 1.800 m hoch. Am zweiten Tag erreichten wir dann die Spitze, bevor uns dann schon wieder 1½ Tage Abstieg bevorstanden, die es irgendwie genauso in sich hatten. ABER es hat sich trotzdem auf jeden Fall gelohnt; ich bin einerseits super stolz auf unsere Gruppe, dass wir trotz aller Blasen und Muskelkater, die Tour durchgezogen haben und andererseits ist die Landschaft auf dem Berg einfach unbeschreiblich schön und vielfältig. Wir sind durch Regenwälder, Vulkanlandschaften und Savannen gegangen, zu denen unsere beiden Guides Bruno und Prince auch immer immens viel wussten und zu erzählen hatten. Generell waren die beiden super motivierend und haben uns immer gut angetrieben (es gibt einen Grund warum sich Bruno auch “Bruno the Killer” nennt ;)) aber so waren sie wahrscheinlich auch der Hauptgrund, warum wir es immer geschafft hatten mehr oder weniger im Hellen in unseren Lagern anzukommen.




Die Lager auf dem Berg bestehen noch aus Zelten, die man aufbauen muss, aber auf unserem Weg nach oben haben wir gesehen, wie Hotel und Restaurant schon im Bauprozess sind, sowie eine Straße auf der man wohl bald ganz gemütlich den Berg hochfahren kann. Auch wenn der Ausbau des (Öko-)Tourismus natürlich auch gute Seiten hat und somit wahrscheinlich zudem viele Arbeitsplätze geschaffen werden, bin ich irgendwie doch ganz glücklich noch so alleine auf den Kamerunberg gekommen zu sein, bevor er vielleicht ein allzu bekanntes Touristenziel wird. (Der Tourismus wird übrigens überall in Kamerun momentan mehr und mehr ausgebaut, was ich natürlich einerseits total verstehe, da Kamerun allgemein meiner Meinung nach ein wunderschönes Land ist, aber vielleicht ist es halt auch gerade deswegen so schön, weil es teils so unberührt wirkt und die Menschen einem noch so offen begegnen und einen nicht wie einen Touristen behandeln.) 

Wenn wir dann abends also im (Halb-)dunkeln in unserem Lager ankamen und noch nicht allzu müde und erschöpft vom Tag waren, saßen wir immer noch gemütlich mit unseren Portern am Feuer und haben gekocht und geredet. Hier muss ich noch einmal meinen Riesenrespekt vor diesen Portern zollen, neben ihrer eigenen trugen sie nämlich auch noch unsere ganze Ausrüstung und Verpflegung mit nach oben. Während wir dann also teilweise rumjammerten, waren diese Jungs teils in Flip-Flops unterwegs und trotzdem einfach immer noch viel schneller als wir, abends waren sie dann dennoch immer gut gelaunt, witzig drauf und total lieb. 








Als wir dann 3 Tage später total erschöpft und super glücklich wieder in Buea waren, hieß es erst einmal ausruhen, duschen und gut essen, bevor wir überhaupt an irgendetwas anderes denken konnten. Danach nahmen wir uns aber doch noch ein paar Tage Zeit um Buea zu erkunden und zu genießen. Die Hauptstadt des Südwestens ist vor allem, neben Mount Cameroon, wegen ihrer großen Universität bekannt und wegen dieser auch eine relativ junge Stadt. Verglichen mit Kumbo ist Buea eine richtige Großstadt, die Straßen sind asphaltiert und im gewissen Sinne wirkt die Stadt westlicher. Es gibt mehr Supermärkte und die vielen jungen Leute kleiden sich weniger traditionsbewusst. Buea ist echt spaßig und vielleicht nach Kumbo bisher meine Lieblingsstadt in Kamerun, trotzdem erlitt ich einen kleinen Kulturschock als wir das eine Mal in die Clubszene der Studentenstadt eintauchten. Der Club „Las Vegas“ war riesig und die Musik total laut, die Leute rauchten hier und die Mädchen trugen sehr, sehr kurze Kleider, alles was in Kumbo als verpönt gilt. Ich kam mir wie ein komplettes Landei vor und vermisste gleichzeitig unsere schönen und veralteten Bars in Kumbo. Tja, Zuhause ist es halt immer noch am schönsten und so freute ich mich auch wieder als es zurück in unser „kleines“ Kumbo ging.

So viel also erst einmal zu Januar, Februar und März, was alles im April passiert ist, erzähle ich dann glaube ich ein anderes Mal…;)